Florian Arbenz Interview

Florian Arbenz Inerview

Ich glaube, dass ich Florian Arbenz nicht noch einmal vorstellen muss. Er war bereits ein Thema auf jazzreporter.com:

https://www.jazzreporter.com/2020/11/24/cd-reviews-sonambique-florian-arbenz/.

Florian ist auch ein ganz netter Mensch und hat mich auf seine neue Veröffentlichung „Conversations #1“ aufmerksam gemacht, welche der Beginn einer neuen Reihe werden soll. Aber lest selber. Florian war dankenswerterweise bereit, für jazzreporter.com ein paar Fragen zu beantworten, welche ich ihm im Mai 2021 zugeschickt hatte.

Mehr Infos über Florian Arbenz findet ihr hier:

https://florianarbenz.com/

 

arbenz's collection | Bandcamp

© Daniel Infanger  , Basel  // Florian Arbenz/2020
© Daniel Infanger , Basel // Florian Arbenz/2020

Jazzreporter: Wann kamst du das erste Mal in Berührung mit dem Jazz?

 

FA: Ich kam schon sehr früh mit Jazz in Berührung, so etwa mit 4 Jahren. Meine Eltern waren beide klassische Musiker und so hatten sie neben all den klassischen Platten auch eine kleine, aber feine Sammlung mit Jazz-Platten. Ich und mein Zwillingsbruder Michael (der beim Trio VEIN Piano spielt) stürzten uns auf diese Sammlung, sobald wir sie entdeckt hatten, die Entdeckung des Jazz war also „Liebe auf den ersten Blick“!

 

JP: Was bedeutet Jazz für dich persönlich?

 

FA: Jazz bedeutet für mich neben der Kunst vor allem einen spielerischen, kritischen, coolen, groovigen und vor allem eigenständigen Blick auf die Welt. Viele große Jazz-Musiker waren/sind große Storyteller und haben bereits Bestehendes in neuem Licht erfasst. Das beeindruckt mich sehr!

 

JP: Hast du in deiner Jugend viele Jazz-Platten gehört? Wer waren deine Vorbilder als Drummer?

 

FA: Ja, ich bin zwar ein offener Charakter, aber ich war schon immer ein absoluter Jazz-Nerd ... :-) Natürlich hatte ich Vorbilder als Drummer, anfangs Max Roach, Art Blakey oder Elvin Jones, später auch „modernere“ Drummer wie Peter Erskine, Paul Motian oder vor allem auch Jack DeJohnette.

Aber lustigerweise waren meine liebsten Alben eigentlich nie Drumming-betont ...

Als Kind liebte ich Art Tatum, Django Reinhardt oder das erste (schlagzeuglose) Trio von Oscar Peterson, später entdeckte ich Bill Evans, Miles, Wayne Shorter oder Herbie Hancock ..., also viel Piano ... :-)

 

JP: War es manchmal schwierig für dich, mit deinem Bruder öffentlich Musik zu machen?

 

Nein, das war absolut problemlos und ist bis heute etwas absolut Natürliches für mich ...

 

JP: Du warst auch in der klassischen Musik tätig. Warum sind Klassik und Jazz für dich kein Widerspruch?

 

FA: Da meine Eltern klassische Musiker sind und ich aber bereits als Kind ein Jazz-Liebhaber war, sind für mich Klassik und Jazz überhaupt kein Widerspruch. Jazz war immer „meine Welt“ und Klassik „die Welt meiner Eltern“, da konnte ich stets ohne Probleme umsteigen. Mittlerweile habe ich mich aber fast ganz aus der Klassik zurückgezogen, es fehlt mir einfach die Zeit, beides auf hohem Niveau zu pflegen ...

 

JP: Wie kam der Kontakt mit Kirk Lightsey und Greg Osby zu Stande?

 

FA: Ich erlebe die Jazzwelt als klein und familiär. Im Gegensatz zu anderen Musikstilen ist es im Jazz relativ einfach, mit großen Musikern in Kontakt zu kommen, und das finde ich etwas absolut Großartiges!

Im Trio von Kirk Lightsey spielte der Basler Bassist Tibor Elekes, welcher in meiner Jugendzeit einer meiner Lehrer war, da hat sich der Kontakt von selbst ergeben.

Greg Osby habe ich in den 90er Jahren spontan mit meinem Bruder für eine Tour angefragt und er hat zugesagt. Mittlerweile spielen wir schon fast 25 Jahre regelmäßig zusammen ...

 

JP: Wie ist die Platte „Reflections“ entstanden, spontan nach einem Konzert mit Greg Osby? Sind die Stücke bei der Aufnahme entstanden?

 

FA: Die Aufnahme mit Greg Osby und Stephan Spicher war schon geplant. Wir hatten aber keine Zeit zum Proben, deshalb hat die ganze Aufnahme etwas extrem Frisches und Inspiriertes.

Ich habe die Stücke für Greg geschrieben und da wir schon so lange zusammenspielen, hoffte ich, dass er sich mit dieser Musik ohne Vorbereitung wohlfühlen würde. Etwas Risiko war da natürlich schon dabei, deshalb bin ich extrem froh, dass es so gut funktioniert hat.

 

JP: Wie wichtig war die Arbeit von Stephan Spicher für den Erfolg der Platte?

 

FA: Obwohl Stephan auf der Platte nicht zu hören ist, ist seine Beteiligung absolut bedeutend für das Resultat! Greg ist eine sehr künstlerische Person und reagiert sehr stark auf eine inspirierte Stimmung. Stephan ist ein großartiger Maler mit einer sehr starken Präsenz und hat mit seiner Inspiration die Aufnahmen entscheidend beeinflusst.

Zudem haben wir in seinem Atelier aufgenommen, was ebenfalls extrem inspirierend war.

 

JP: Was begeistert dich am meisten an dem Duo-Format mit Greg Osby und wo sind die Herausforderungen für dich?

 

FA: Das Tolle für mich an dem Duo-Format ist die Direktheit der Musik. Das Setting hat etwas sehr Intimes und man kann sich unmöglich in einer Komfortzone bewegen, das inspiriert sehr! Zudem habe ich die Möglichkeit, meine Klangerfahrung aus der klassischen Musik und diverse Perkussionsinstrumente einzusetzen.

Die größte Herausforderung im Duo-Format ist wohl, ein klanglich interessantes Programm zu gestalten. Das Risiko, dass ein solches Programm eintönig wird, ist doch recht hoch ...

 

JP: Wird das Duo-Format im Jazz deiner Meinung nach unterschätzt?

 

FA: Das kann ich aus meiner Sicht nicht beurteilen ... Es gibt ja wirklich großartige Duos, von Dizzy & Max Roach über Coltrane & Rashied Ali bis Chick Corea & Gary Burton etc. ... Eventuell sind diese Formate natürlich ein bisschen weniger bekannt, aber es existieren großartige Duos im Jazz!

 

JP: Deine neue Platte heißt „Conversations #1“. Wie bist du an dieses Projekt herangegangen?

 

FA: Das Conversations-Projekt ist eigentlich ein Projekt, um mich in dieser verrückten Corona-Zeit künstlerisch über Wasser zu halten. Die Grundidee besteht eigentlich darin, dass es stets möglich war, Künstler aus dem Ausland in die Schweiz einzuladen. Da ich zum Glück ein eigenes Studio mit einem tollen Flügel besitze, habe ich mich entschieden, den Spieß umzudrehen und anstatt auf Tour zu gehen, großartige Musiker nach Basel einzuladen und mit ihnen aufzunehmen.

 

JP: Du hast in kurzer Zeit mit „Reflections“, „Convergence“ und „Conversations #1“ drei Platten veröffentlicht. Stehen diese Platten im Zusammenhang? Eine Art Trilogie?

 

FA: Nein, diese drei Aufnahmen haben nichts miteinander zu tun.

Auf „Convergence“ spielen internationale Musiker, mit welchen ich schon länger etwas auf die Beine stellen wollte. Das Duo mit Osby war ebenfalls schon ein älterer Wunsch von mir, welcher sich dann einfach ergeben hat ...

Aber die „Conversations“-Serie wird weitergehen, im Ganzen plane ich 12 CDs mit unterschiedlichen Formationen ... :-)

 

JP: Wie gefällt dir die Schweizer Jazzszene? Ist sie offener für diese Art der kreativen Musik, die du machst?

 

FA: Die Schweizer Szene ist sehr heterogen, schon nur wegen der 4 Landessprachen. Aber sie ist unglaublich kreativ und vielschichtig, das gefällt mir sehr!

Ich fühle mich sehr wohl als Jazz-Musiker in der Schweiz.

 

JP: Wie würdest du die Situation des Jazz in Europa beurteilen?

 

FA: Das kann ich leider nicht wirklich beurteilen. Was ich aber sehe, ist, dass es unglaublich viele und tolle Musiker gibt! Da die Schweiz so klein ist, bin ich zudem auf Konzerte im Ausland angewiesen und finde da in Europa genügend Konzertveranstalter, Clubs und Festivals, welche an meiner Musik interessiert sind.

Ich hoffe natürlich, dass das nach Corona ebenfalls so sein wird.

 

JP: Wie wird die Corona-Krise die Jazzmusik verändern? Bist du Fan von Livestreams?

 

FA: Ich denke, es ist noch etwas zu früh, um das sagen zu können, das Chaos ist ja immer noch perfekt und der Nebel muss sich erst noch ein bisschen lichten, bevor man die Lage wirklich beurteilen kann. Ich denke, es kann sowohl auf die negative Seite (weniger Clubs, weniger Geld) als auch auf die positive Seite (mehr Publikum, mehr Unterstützung) kippen. Hoffen wir das Beste!

Ich bin persönlich nicht unbedingt ein Streaming-Fan, aber ich sehe schon das Potential, dass wir Musiker per Internet eine sehr internationale Hörerschaft erreichen können, und das erachte ich durchaus als positiv.

 

JP: Planst du, die Musik dieser Platten auf Festivals in Deutschland und der Schweiz zu präsentieren? Oder gar im BIX bei uns?

 

FA: Ja, ich hoffe schon, dass es demnächst wieder losgeht! Und klar, ein Konzert im BIX ist natürlich immer super!

 

JP: Danke für deine Zeit, Florian! Bin sehr gespannt auf „Conversations #2“!

 

FA: Danke, Alex! Ende Juli geht‘s weiter mit „Conversations #2“ ... :-)

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Kommentare: 1
  • #1

    Patrick Manzecchi (Mittwoch, 28 Juli 2021 03:59)

    Ein Musiker, den ich nicht nur aufgrund seines Instruments sehr, sehr schätze.