Gisela-Salzer Bothe Interview

Gisela-Salzer Bothe Interview

Über das Jazzfestival Jazz im Olymp lernte ich Gisela Salzer-Bothe kennen. Gisela ist eine gebürtige Stuttgarterin und Konzertveranstalterin, die früher Stuttgart beste Schwimmerin war.

 

Den Schlagzeuger Slick Salzer lernte sie 1968 in Stuttgart kennen und hat im Jahr 1972 die Stuttgarter Jazzhall mitgegründet, die bis ins Jahr 2020 ein fixer Treffpunkt der traditionellen Stuttgarter Jazzszene war.

 

Slick Salzer war ein renommierter Schlagzeuger, der in den 50er Jahren bereits sein Vorbild und Idol Gene Krupa kennenlernen durfte. Er war viele Jahre Außendienstvertriebsleiter bei der Firma Bosch und hat dadurch viele Jazzmusiker bei seinen Reisen in USA und West- und Nordeuropa kennengerlernt. Er war eine treibende Kraft in der Stuttgarter Jazzszene bis weit in die 90er Jahre hinein und spielte mit allen großen Jazzmusikern zusammen. Viele Kontakte stellte er selber her, dies belegen umfangreiche Briefwechsel.  Er feierte mit Lionel Hampton regelmäßig seinen Geburtstag in Stuttgart und fuhr den Jazzmusiker Wild Bill Davis im Auto.

 

Slick Salzer war auch ein Jazzhistoriker und hatte eine umfangreiche Sammlung an Platten, Fotos und Videos. Über viele Jahre hielt er beim amerikanischen Institut in Stuttgart Vorträge über den Jazz. Er plante sogar ein Jazzmuseum in Stuttgart.  

 

Ich habe mich in Balingen mit Gisela über Slick Salzer und ihre Tätigkeit für den Jazz im Dezember 2021 unterhalten.

© Alex Schicke, Stuttgart// Gisela Salzer-Bothe / 2021
© Alex Schicke, Stuttgart// Gisela Salzer-Bothe / 2021

Jazzreporter: Wann bist du zum ersten Mal mit Jazz in Berührung gekommen?

 

Gisela Salzer:  Das war nach dem Krieg durch den AFN, der hier in Stuttgart stationiert war also schon relativ früh.

 

JP: Warst du als Managerin von deinem Mann im Hintergrund tätig?

 

GS: Ja, klar ich war immer als seine Managerin im Hintergrund tätig. Ich habe sehr viel organisiert und sein Schlagzeug getragen, denn Slick war Bandleader und musste immer als erster da sein. Den ganzen Schriftverkehr mit den Musikern auf Amerikanisch hat Slick gemacht. Mit Hilfe seiner Firmen konnte er vieles bewerkstelligen, denn er hatte gute Kontakte in den USA. Damals gab es noch kein Internet und PC wie heute, wo man sowas innerhalb einer Stunde organisieren kann. Der Schriftverkehr ging in der Regel über ein halbes Jahr. Die ganzen Tourneen in den USA und Singapur hat Olymp gesponsert. Zum Teil auch die Stadt Stuttgart, denn es gab einen Kulturaustausch zwischen St. Louis, diese ist die Sistercity von Stuttgart.

 

JP: Wie kamen die Kontakt zu Stande?

 

GS: Über seine Firmen war Slick oft in den USA, vor allem in New York und Chicago, nach seinen Geschäften ging es in den Jazzkeller- so hat er die ganzen Jazzmusiker kennengerlernt, die er später für die Dixielandl Hall in Stuttgart engagiert hat

 

JP: Warum ist der Begriff Amateurmusiker unpassend für Slick Salzer?

 

GS: Die ganzen Jazzmusiker aus den 50er Jahren kamen aus dem Amateurlager und hatte noch andere Berurfe.  Damals gab es noch keine Universitäten wie heute. In den 50ern war der Jazz verpönt und nur bei Studenten beliebt

 

JP: Im Jahre 1971 gab es in Meeting zwischen Slick und Dizzy Gillespie wie kam es dazu?

 

GS: Zu der Zeit wurde gerade die Jazzhall gegründet. Das Meeting fand in der Antlantic Jazzbar statt, die ganz in der Nähe der Liederhalle war, wo viele Jazzkünstler zu der Zeit gastierten u.a auch Dizzy Gillespie. Dizzy wollte nicht über Musik reden, stattdessen unterhielt er sich den ganzen Abend mit Slick über den Vietnamkrieg.

 

JP: War Slick offen für den modernen Jazz?

 

GS: Slick war sehr offen für den modernen Jazz im Stil von John Coltrane oder Bill Evans. Aber bei Free Jazz oder die damalige Musik von Wolfgang Dauner, da gab es für Slick schon gewisse Grenzen. Eine moderne Jazzband die er sehr mochte, war das Cannonball Adderley Quintett mit Joe Zawinul. Die damaligen Konzerte waren wie ein Paukenschlag.

 

JP: Was kannst du mir zur Begegnung zu Wild Bill Davidson sagen?

 

GS: Das war zu der Zeit, als wir in Senden bei Ulm in den frühen 80er Jahren wohnten. Slick hatte damals seinen ersten Auftritt mit Wild Bill in Heidelberg. Slick war damals sehr stolz, dass er mit Wild Bill spielen konnte. Slick und er haben sich davor schon in der Jazzhall kennengelernt, auch seine Frau Anne war sehr nett.  Den Kontakt damals hat der Peter Bühr (JP: Jazzmusiker und Organisator aus Waiblingen) hergestellt, denn er kannte sehr viele Musiker.  Die Autofahrt war sehr turbulent, weil Wild Bill immer einen Schnaps haben wollte, welche ihm seine Frau verweigert hat. Es ging so weit, dass Wild Bill am Ende während der ganzen Fahrt schwieg. Auch Gespräche über seine eigenen Platten interessierten ihm nicht. Wild Billl interessierte sich immer für die heutige Zeit.

 

JP: Was kannst du zu Eddie Lockjaw Davis sagen?

 

GS: Er war eine gestandene Persönlichkeit. Eddie Lockjaw Davis kam regelmäßig nach Stuttgart mit der Count Basie Big Band. Nach den Konzerten in der Liederhalle hingen Eddie Lockjaw und die Musiker des Count Basie Orcherstras alle in der Bar Note an der Liederhalle herum. Sie wollen unbedingt nach dem Konzert jammen. Also fuhr ich Harold Jones, Freddie Green und Eddie Lockjaw mit meinem Kadett das kurze Stück in die Antlantic Bar. Dort wurde bis zum frühen Morgen weitergejammt.

 

Auch hier stellte Slick den Kontakt her und kümmerte sich um Sponsoren, um alle die Auftritte bezahlen zu können. Slick war damals sehr bekannt in der US-Jazzszene, weil er eine positive amerikanische Art hatte. Slick war zudem ein Jazzhistoriker, der alles im Kopf hatte. Slick war ein im Swing verhafteter Musiker, der nicht im Dixieland stehen geblieben war wie die anderen Musiker.

 

JP: Slick und Lionel Hampton feierten oft Geburtstag zusammen. Was kannst du mir hier darüber erzählen?

 

GS: Ja. das war wieder über die Liederhalle, denn hier gastierte die Band von Lionel Hampton sehr oft. Slick hatte Hampton über sein Kontaktnetzwerk kennengelernt. Es ergab sich, dass die Lionel Hampton Band oft um den Geburtstag von Hampton in der Liederhalle gastierte. Das war immer so um den 9 Mai rum.

 

Nach einem Konzert vergaß Hampton sein Hotel. Ich habe ihm aber zum Hotel im Schlossgarten gefahren, weil dort in der Regel alle US Jazzmusiker zu der Zeit zu Gast waren. Wir wollten eigentlich noch an die Bar die war aber schon zu. Daher gingen wir ins das Zimmer von Lionel Hampton und hörten bis zum frühen Morgen seine LPS, die er sich am Nachmittag in Stuttgart gekauft hat. Er wollte sehen, ob man dafür Tantiemen erhalten konnte.  Er hatte mitbekommen, dass ich gute Kenntnisse im Massieren habe. Daher habe ich ihm massiert, weil er, aufgrund seiner Spielhaltung sehr verspannt war. Dies alles ging bis 5:30 am gleichen Tag musste ich um 8 Uhr eine neue Stelle antreten. Ich habe es aber überlebt.

 

JP: Zwischen 75- 80 entstanden einige Platten von Slick? Wie war das möglich?

 

GS: Man muss sich da erst einig sein, ob man eine Platte stemmen kann und man braucht dafür einen Sponsor. Eine heute noch bekannte Aufnahme war das „Tribute To Benny Goodmann“ mit Lars Erstrand am Vibraphon und dem Charly Höllering an der Klarinette. Charly Höllering hat oft die Covers gestaltet, weil er ein guter Graphiker war. Das Tonstudio war in der Regel das Tonstudio Bauer in Ludwigsburg. Der Kontakt zu Lars Erstrand kam durch Slicks Geschäftsbeziehungen in den nördlichen Ländern zu Stande.

 

Eine andere bekannte Platte war die „Bosch Tool Parade“, die Bosch Mitarbeiter viele Jahre zu Weihnachten geschenkt bekommen haben. Alle diese Platten wurden in der Regel an einem Tag aufgenommen und am nächsten Tag abgemischt. Lange Aufnahmesitzungen, wie heute üblich, waren damals rein zeitlich nicht möglich. Slick hatte aber die Musik im Kopf, denn konnte man überall hinsetzten.

 

JP: Wie ist die Jazzhall bzw. Dixieland Hall gegründet worden?

 

GS: Daran ist mein Vater und Slick schuld.

 

Zu der Zeit als die Dixieland Hall gegründet worden ist suchte die Stuttgarter Jazzszene eine eigene Spielstätte, weil sie von Veranstaltern oft ausgenützt worden waren. Das Gebäude der Dixieland Hall gehörte der Gaststätte Ketterer, die oben ein Lokal betrieb. Im Keller unten war damals ein italienisches Restaurant mit roten Tischdecken. Einer meiner ersten Treffen mit Slick war im diesen Restaurant. Er war sofort angetan von der Location und sah darin den perfekten Jazzkeller. Zufälligerweise kannte damals mein Vater den Chef von der Gaststätte Ketterer Herrn Speker.

 

Ich habe dann damals mit ihm verhandelt und weil er mich und meinen Vater kannte, stimmte er einem Jazzkeller zu. Allerdings musste ich dafür garantieren, dass ein Getränke- und Essensumsatz von 500 DM pro Abend erzielt werden musste.  Da sahen wir kein Problem. Auch haben wir viel Geld für die Dämmung und die notwendige Entlüftung bezahlt.

 

Unser erstes Konzert war am 26.04.1972 im Gustav-Siegele-Haus und es war total ausverkauft. Auch die Jahre danach war die Jazzhall immer voll. Wir haben dort viele Faschingsbälle veranstaltet und haben auch das Programm in den ersten Jahren gemacht. In der Sommerpause haben dort immer englische Musiker gespielt, weil Slick enge Verbindungen zur englischen Jazzszene hatte.

 

Ich habe da selber anfänglich das Programm gemacht, konnte es dann aber nicht mehr machen, weil ich mich danach um mein neugeborenes Kind kümmern musste.

 

JP: War Slick Salzer ein Förderer von Talenten von lokalen Jazzmusikern?

 

GS: Er war kein direkter Förderer. Aber wenn er junge Musiker gut fand, hat er sie gerne in seine Bands aufgenommen. Diese mussten aber schon etwas draufhaben. Er hat so für diese Musiker den Weg geebnet, weil er sie so in die Jazzwelt eingeführt hat.

 

JP: Was ist das Problem heute?

 

GS: Die ganzen alten Musiker sterben heute alle weg, von Slicks Band lebt heute fast keiner mehr.  Du kannst alle die großen Bands auch nicht mehr bezahlten, daher hast du diese viele kleinen Trios oder Combos. Heute ist ein Jazzkonzert mehr ein gesellschaftlicher Treffpunkt und es geht eher weniger um die Musik. Das haben wir früher anders gelebt. Man muss als Jazzmusiker für das brennen was man macht, auch das fehlt vielen jungen Jazzmusikern heute.

 

JP: Slick hat auch Vorträge gehalten von denen es Videos gibt. Wie kam es dazu?

 

GS: Slick hat viele Videos gesammelt und er hat später die Lizenzen erworben. Er hat dann daraus ein Vortragsprogrammfür seine Workshops mit verschiedenen Schwerpunkten wie Swing, Sinatra, Charlie Parker usw. entwickelt. Mit dem deutsch- amerikanischen Institut (DAZ) in Stuttgart hat er eine Ausstellung mit dem Titel „Kingdom of Swing“ gemacht, dies war eine Videoreise durch die Swing-Ära. Diese Art von Vorträgen hielt er jeden Monat.

 

JP: Wollte Slick ein Jazzmuseum gründen?

 

GS: Ja, wir waren eng mit dem Lothar Späth befreundet, der zu der Zeit noch Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag war. Späth war ein großer Jazzfan. Slick spielte oft für Ihn und sogar bei seiner Amtseinführung in der Villa Reizenstein. Da die Region Stuttgart sehr jazzafin war, war die Idee eines Jazzmuseums sehr naheliegend. Das Jazzmuseum sollte in der Stuttgarter Kulturmeile sein und es sollte ein Treffpunkt für alle Jazzmusiker und Fans sein. Das ist alles im Sande verlaufen, weil Späth dafür als Ministerpräsident keine Zeit mehr hatte. Als Erwin Teufel kam, war das Projekt dann ganz gestorben.

 

JP: Wie groß ist das Slick Salzer Archiv und welche raren Inhalte hat es?

 

GS: Die Kerninhalte sind sein Schriftverkehr mit diversen Musikern und seine große V-Discs und Schellack Sammlung.

 

JP: Wie kam deine Zusammenarbeit mit dem Olymp zu Stande?

 

GS: Ich habe Herrn Bezner, den Chef von Olymp, über meine Schwimmtätigkeit kennengelernt. Er hat mir dann das Angebot gemacht bei Ihm Schwimmtrainerin in Bietigheim-Bissingen zu werden. Ich habe dann seinen Sohn und seine Tochter trainiert. Herr Bezner hat auch die Auftritte von Slick in den Holiday- Inn Hotels in Südostasien über die vielen Jahre gesponsert.

 

Viele Jahre später nach dem Tod von Charly Höllering kam er auf die Idee ein größeres Jazzfestival bei sich zu veranstalten. Er bekam über die Jahre mit, dass ich gut im Organisieren von Events war. Davor hat Charly Höllering das Jazzfest bei ihm organisiert, dieses lief aber über einen Tag. Als ich es übernahm wurde beschlossen das Jazzfestival „Jazz im Olymp“ über Fronleichnam auf zwei Tage auszuweiten. 

 

Das ist immer sehr viel Arbeit, man muss viel planen und es muss immer ein Showteil dabei sein. Das muss man sehr gut organisieren können, was mir aber sehr gut liegt.

 

JP: Was gefällt dir nicht am heutigen Jazz Business?

 

GS: In der heutigen Zeit hat für die Jugend und jungen Leute eine andere Musik Bedeutung. Wobei man feststellen muss, dass RAP und die nur noch elektronisch abgemischte und mit Effekten versehene sogenannte Musik auf dem Rhythmus basiert und kaum noch Melodie, Phrasierung oder Harmonien beinhaltet. Und jeder meint, er könnte singen. Daher wird es schwierig für die heutigen jungen Jazzmusiker Publikum zu finden. Auch die Radiostationen und TV sind hier weitgehend abstinent.

 

Und doch sind immer wieder bemerkenswerte kleine feine Konzerte von mutigen Veranstaltern angesagt. Gut auch, dass international agierende Jazzmusiker immer wieder junge Leute in ihren Bands mitspielen lassen. Manchmal gefällt mir die Bühnenpräsenz der jungen Musiker nicht so, wenn sie nachlässig gekleidet sind.

 

Trotzdem, der Jazz wird nicht sterben, denn das Leben ist Jazz und sollte ein bisschen swingen.

 

JP: Danke Gisela für das Interview!

 

GS: Danke dir auch Alex! Du kannst gerne jederzeit vorbeikommen.

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Kommentare: 1
  • #1

    Jürgen (Samstag, 21 Mai 2022 15:01)

    Hallo Alex,
    interessantes und aufschlussreiches Interview; tolle Frau, was die alles für Ihren Mann und dessen Musik geleistet hat. Ein richtiger Fan ;-) !