Interview: Jörg Mikula- MUSIC FOR DRUMS CD

Interview: Jörg Mikula- MUSIC FOR DRUMS CD

Ich liebe Jazzschlagzeuger, wie meine Interviews mit Daniel Messina, Guido May, Florian Arbenz und auch Patrick Manzecchi zeigen. Mein heutiger Interviewpartner ist Jörg Mikula. Den meisten ist er aus der Ethno-Jazzband Donauwellenreiter bekannt.

 

Jörg Mikula wurde im Jahr 1975 in Graz geboren und studierte im Jahre 1999 am renommierten Berklee College. Außerdem war er auch in Uganda und Marokko zu Studienaufenthalten. Im Jazzbereich spielte Jörg Mikula mit Tord Gustavsen, Ulrich Drechsler oder Chris Gall. Er ist auch Dozent am Vienna Music Institute, einem Konservatorium in Wien, wo er aktuell Schlagzeug, Ensemble und Percussion unterrichtet.

Mehr Infos über Jörg Mikula findet ihr hier: joergmikula.com.

 

Seine neue CD „Music for Drums“ mit Eigenkompositionen von Jörg Mikula entführt uns in die Welt der Drums mit funky beats, Beckenspiel und Shuffle-Spiel. Sie ist ein Genuss für Schlagzeugliebhaber, denn sie zeigt die große Vielfalt und Vitalität des Schlagzeugs. Die CD wurde auch hervorragend aufgenommen.

 

Über die CD und Jazz habe ich mich mit Jörg Mikula unterhalten.

Jazzreporter: Hallo Herr Mikula, schön, dass Sie Zeit haben für jazzreporter.com und auch danke für die Zusendung Ihrer interessanten CD „Music for Drums“.

 

Jörg Mikula: Sehr gerne!

 

JP: Wann haben Sie gewusst, dass das Schlagzeug Ihr Instrument ist?

 

JM: Ich habe noch Erinnerungen, dass ich mit circa 4 Jahren Schlagzeuger im Fernsehen gesehen und mir gedacht habe: „Wow, das ist das coolste Instrument!“ Bis ich dann aber meine Eltern überzeugt hatte und mit dem Unterricht beginnen konnte, hatte es noch gedauert, bis ich 10 war.

 

JP: Wie sehr prägten Ihre vielen Reisen rund um die Welt von den USA nach Uganda Ihr Schlagzeugspiel?

 

JM: Diese Reisen und Aufenthalte haben mich sehr stark geprägt. Verschiedene Kulturen und Herangehensweisen an Musik zu erleben, ist sehr bereichernd und inspirierend. In den USA habe ich drei Jahre studiert und konnte viele meiner „Heroes“ live sehen, zum Teil in kleinen Clubs, ganz nah dran. Vor allem hat mich die Selbstverständlichkeit, mit der Jazz gespielt und vom Publikum verstanden wird, sehr beeindruckt.
Nach Uganda durfte ich drei Mal reisen und habe dort viel mit lokalen Musikern gespielt.
Sehr beeindruckt hat mich das hohe Energielevel, auf dem musiziert wird, und dass man durch Musik den Leuten viel leichter näherkommt und eine Brücke bauen kann.

Da hatte ich einige sehr schöne Erlebnisse.

 

JP: Finden Sie nicht, dass viele überlange Schlagzeugsolos nicht ein Armutszeugnis sind für eine Jazzband?

 

JM: Dem kann ich als Schlagzeuger natürlich nur heftigst widersprechen! (Lacht)
Nein, im Ernst, wenn das Solo musikalisch gespielt ist, höre ich Schlagzeugsolos genauso gerne wie von einem anderen Instrumentalisten
.

 

JP: Welche Schlagzeuger haben Sie geprägt?

 

JM: Da gibt es viele aus verschiedenen Stilrichtungen:
Manu Katché, Elvin Jones, Jeff „Tain“ Watts, Stewart Copeland, Paul Motian, Paco Séry, Brian Blade, Jon Christensen etc. Aber auch Lehrer von mir wie Alex Deutsch, Jamey Haddad, Ian Froman, Dave DiCenso. Und viele meiner „Peers“, Kollegen von mir, die ich während meines Studiums oder auf Konzerten gehört habe.

 

JP: Wie kam die CD „Music for Drums“ zu Stande? Ist der Titel eine Referenz an die Jazz-Geschichte, z.B. hat Max Roach ähnliche Alben aufgenommen?

 

JM: „Music for Drums“ ist schon mein zweites Soloalbum für Schlagzeug. Das erste, „Drumsongs“, ist vor acht Jahren erschienen.
Alles entstand aus der Frage, ob man mit einem Schlagzeug alleine einen spannenden Konzertabend bestreiten kann, der für das Publikum kurzweilig und unterhaltsam ist.
Ich hatte davor viele Jahre als Sideman für unterschiedlichste Künstler gearbeitet. Auch da bringt man sich kreativ ein, versucht die Vision des Leaders bestmöglich zu unterstützen und gibt der Musik seine eigene Farbe.
Irgendwann habe ich mich gefragt, wie meine Musik klingen würde, wenn sie nicht auf der Grundidee von jemand anderem aufbaute, sondern wenn sie von Punkt Null beginnen würde. Ist Musik für Schlagzeug überhaupt möglich?
Dann hab ich im Proberaum zu forschen begonnen, hab viele Dinge ausprobiert.
Ich habe mich in diesem Prozess bewusst nicht an anderen Schlagzeugern orientiert. Im Gegensatz zu anderen Instrumenten, wie zum Beispiel Klavier, ist das Solo-Spielen beim Schlagzeug nicht sehr verbreitet und es gibt wenige Vorbilder.
Ich habe das eher als Vorteil gesehen, als Möglichkeit, ganz eigene Lösungsansätze zu finden.

Was den Titel betrifft, ist er bewusst gewählt, um dem Zuhörer zu signalisieren, hier geht es wirklich drum, Musik zu machen. Zufällig ist mein Vehikel das Schlagzeug, aber es geht eigentlich wie bei jeder anderen Musik um Stimmungen und Emotionen.

Zu Max Roach: Ja, er war einer der Ersten, der bei Schlagzeugsoli sehr kompositorisch gedacht hat und auch Stücke für Schlagzeugensembles geschrieben hat. Respekt!

JP: Kann man es als ein Konzeptalbum bezeichnen?

 

JM: Wahrscheinlich nicht das ganze Album, aber es gibt ein paar sehr stimmungsvolle Improvisationen, die der Natur gewidmet sind. Das sind die Stücke „Woods“, „Wind“, „Stars“ und „Into the Dark of the Night“.

 

JP: Soll die CD ein Lehrstück für angehende Schlagzeuger sein?

 

JM: Eigentlich nicht. Ich möchte mit der Musik jede/jeden Musikinteressierten erreichen, nicht speziell nur SchlagzeugerInnen. Wenn es aber einzelne SchlagzeugerInnen inspiriert und sie sich mit Stücken beschäftigen wollen, ist das natürlich auch schön.

 

JP: Was war die größte Herausforderung bei der Aufnahme der CD für Sie?

 

JM: Die Hälfte der Stücke ist durchkomponiert, das heißt, jede Note, die ich da spiele, ist vorgegeben. Da meine Wurzeln eher im Jazz und nicht in der Klassik liegen, ist das gar nicht so einfach für mich.
Obwohl alles fix ist, muss es lebendig sein und atmen, das fällt mir bei freieren Stücken leichter.

 

JP: Kommen wir zu den Stücken: Wie entstand die atmosphärische Nummer „Bergenbeats“? Auf einer Bergwanderung?

 

JM: (Lacht) Das wäre natürlich auch eine schöne Geschichte. Nein, die ist von einer südafrikanischen Band inspiriert, die ich in den letzten Jahren viel gehört habe. Sie heißt Beatenberg, daher der Titel „Bergenbeats“.
Der Schluss der Nummer ist ein sehr hypnotischer Groove, eine Referenz an die Rhythmen aus dem Süden Irans, aus der Gegend um Buschehr.

 

JP: Was war der Hintergrund der Nummer „Into the Dark of the Night“?

 

JM: Das ist eine starke Stimmungsnummer. Ich beschreibe eine intensive Nachtatmosphäre. Ich hab das Album in einem kleinen österreichischen Dorf an der tschechischen Grenze aufgenommen.
Wenn man dort in der Nacht nach den Aufnahmen zurück in seine Unterkunft spaziert, ist es so dunkel und still, dass schon die Schritte auf dem Asphalt extrem laut wirken.

 

JP: Was bedeutet „Murakami“?

 

JM: Das Stück „Murakami“ ist dem japanischen Schriftsteller Haruki Murakami gewidmet, den ich sehr schätze. In seinen Büchern beschreibt er oft mit einfachen Worten sehr alltägliche Handlungen, trotzdem spürt man einen enormen Puls darunter, eine andere, verborgene Welt.
Nachdem ich das Stück komponiert hatte, fiel mir die Ähnlichkeit zu seinem Schreibstil auf – daher der Name.

 

JP: Wurde das Stück „Prishtina“ extra für die CD geschrieben?

 

JM: Ja! Meine Frau, die Cellistin Rina Kaçinari, stammt aus dem Kosovo und so reisen wir regelmäßig in die Hauptstadt Prishtina, um ihre Familie zu besuchen.
Immer wieder sind wir bei Hochzeiten eingeladen, bei denen viel im 7/8-Takt getanzt wird. Paradiesische Zustände für einen Schlagzeuger! (Lacht)
Der Stadt und ihren Bewohnern hab ich dieses Stück gewidmet
.

 

JP: Würden Sie die CD als eine Jazzplatte bezeichnen?

JM: Als Musiker sind mir Stilbezeichnungen nicht so wichtig, für mich ist einfach alles nur Musik.
Da meine Wurzeln aber zu einem großen Teil im Jazz liegen, hört man da sicher Einflüsse, vor allem bei den improvisierten Stücken.

 

JP: War die Corona-Zeit für Sie eine starke Einschränkung, da Ihre Musik sehr multikulturell ist und von den Begegnungen der Menschen lebt?

 

JM: Sicher, während der Zeit der Lockdowns war alles auf Pause geschaltet.
Ich persönlich habe es in meiner derzeitigen Lebensphase nicht als so stark einschränkend empfunden. Ich war in den letzten Jahren so viel unterwegs, so dass eine Zeit des Innehaltens und auf sich selbst Zurückgeworfenseins auch ganz gutgetan hat.
Ich hab die Zeit mit Üben und Komponieren verbracht
.

 

JP: Was gefällt Ihnen am meisten am Sound Ihrer Band Donauwellenreiter? Was macht diese Band so besonders?

 

JM: In der Band Donauwellenreiter spielen wir mit der Besetzung Violine/Stimme, Cello, Klavier und Schlagzeug. Ein unüblicher Sound.
Vor allem das Spielen mit Streichinstrumenten ist für mich als Schlagzeuger eine Herausforderung.
Einerseits muss ich mich deren Dynamikspektrum anpassen und darf nicht zu laut sein, andererseits soll das Schlagzeug trotzdem voll und gut klingen.
Wir musizieren aber nun schon seit über sieben Jahren zusammen, sind daher sehr gut eingespielt und haben einen homogenen Sound.
Für mich ist es eine wunderbare Sache, in einer „richtigen“ Band zu spielen. Wir sind demokratisch organisiert, komponieren und arrangieren alle und teilen uns die unterschiedlichen Aufgaben, die es in einer Band so gibt.
Außerdem verstehen wir uns menschlich sehr gut, ich glaube, das spürt man auch auf der Bühne.

 

JP: Planen Sie, auch ein klassisches Jazzalbum aufzunehmen mit einem Quartett?

 

JM: Als Leader derzeit nicht, aber als Sideman immer gerne. In der Vergangenheit gab es in dieser Richtung schon Aufnahmen mit Ulrich Drechsler, Tord Gustavsen, Michael Kahr, Selen Gülün, Sabri Tuluğ Tırpan, Michael Kneihs und anderen.

 

JP: Planen Sie, auf Tour zu gehen mit „Music for Drums“?

 

JM: Auf jeden Fall, erste Veröffentlichungskonzerte hab ich schon hinter mir und ich freue mich auf weitere.
Diese Musik funktioniert besonders gut live, es ist spannend, einem Schlagzeuger bei seiner Arbeit zuzusehen, und ich versuche, den Abend kurzweilig und unterhaltsam zu gestalten.
Ich genieße den energetischen Austausch mit dem Publikum sehr und mag, wie die Musik sich durch das Live-Spielen verändert und an Tiefe gewinnt.

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Kommentare: 2
  • #1

    Jürgen (Sonntag, 20 März 2022 11:58)

    Hallo Aleksej,
    wieder mal ein schönes Interview über einen Musiker, den ich gar nicht kannte.
    Allerdings sind reine Schlagzeug-Aufnahmen nicht so "mein Ding", werde mir aber einige Passagen aus der CD anhören, die im Interview genannt waren, wie z.B. "Bergenbeats" und "Into the dark of the night".
    VG, Jürgen

  • #2

    Micha Rostalski (Samstag, 18 Juni 2022 18:06)

    Hallo Alex,
    mit jedem deiner Interviews ist ein Lehrstück zur aktuellen Jazzgeschichte geschrieben.
    Der älteste der 'Fratelli Petrocca' hat in der damaligen Eumel-Bar ein begeisterndes Solo-Schalgzeug Konzert gespielt, das mit unvergessen blieb. Gerne würde ich mich mit meinem Bekannten Harald Rüschenbaum, Schlagzeuger, heute Leitung der Musikakademie Marktoberdorf unterhalten, den ich kürzlich nach fast vierzig Jahren wiedergetroffen habe! Wir haben uns im Allotria in München kennen gelernt, und letztes Jahr bei einem Konzert mit einem Trio wiedergetroffen. Die Gruppe um Christoph Müller, Schlagzeug steht in der Reihe der Rising Stars der Jazzszene mit und um das Schlagzeug. Herzliche Grüße, Micha