Frank Roberscheuten Interview

Frank Roberscheuten Interview

 Eigentlich wollte ich dieses Jahr nach Ascona zum Swingfestival fahren, leider war das aus bekannten Gründen nicht möglich. Als Trost konnte ich mit dem musikalischen Leiter Frank Roberscheuten ein Interview machen. Frank Roberscheuten kommt aus Holland und spielt Tenorsaxophon und Klarinette.

 

Er hat zahlreiche CDs aufgenommen und ist ein anerkannter Jazzmusiker in Europa.

 

Weitere Details über ihn könnt ihr hier erfahren:

 

https://frankroberscheuten.com/.

 

Viel Spaß mit dem Interview!

 

Jazzreporter: Wie sind Sie zur Musik gekommen?

 

FR: Als Kind habe ich schon viel Musik gehört zuhause, Klassisch und Jazz. Dann habe ich mich angemeldet bei einer Musikgruppe in meinem Dorf. Ich hatte keine Ahnung von Instrumenten und weil es einen Bedarf gab an Klarinettisten, hat man mir eine Klarinette gegeben. Damals war ich 11 Jahre alt.

 

JP: Wann haben Sie Ihre Liebe zu New-Orleans-Musik entdeckt?

 

FR: Ein paar Jahre später hat ein anderer Freund mich begeistert mit Jazzmusikaufnahmen, nämlich DSC Band und Trevor Richards Trio. Diese Musik fand ich sofort sehr interessant und ich fing an, Konzerte zu besuchen, wo dieser traditionelle Jazz gespielt wurde. Dann, als 18-Jähriger, wurde ich gefragt, ob ich Lust hätte, in Bands in der Region mitzuspielen. So habe ich gelernt, dass diese Musik ursprünglich aus New Orleans kommt, und ich fing an, die jeweiligen Musiker zu hören.

 

JP: Woher kam Ihre Vorliebe für Barney Bigard, George Lewis und Edmond Hall?

 

FR: Es gab viele Klarinettisten in New Orleans, die ich natürlich alle gehört und studiert habe. Dieser typische Sound und das Timing von Musikern aus New Orleans haben mich immer angezogen. Dadurch wurde ich auch gefragt, in Bands, die in diesem Stil Jazzmusik spielten, mitzuspielen. Das Interesse war da, ich kannte das Repertoire und für viele Jahre gab es für mich nur diesen Stil. Viele Musiker aus New Orleans hatten Visitenkarten, die sagten: „Music For All Occasions“. Diese Musik wurde auch immer gespielt, in Kneipen, auf Hochzeiten und natürlich auch bei Beerdigungen. Dieses soziale Element hat mir immer gefallen, New-Orleans-Musik sehe ich auch wie einen „Teamsport”, weil man oft zusammen (kollektiv) spielt. In einem Interview wurde George Lewis mal gefragt, was er macht, wenn er ein Solo spielt. Er sagte: „Ich spiele die Melodie und die anderen Musiker spielen leiser.“

 

 JP: Wie sehr hat Sie Coleman Hawkins beeinflusst, als Sie auf das Saxophon umstiegen?

 

FR: Das Saxophon habe ich immer nebenbei gespielt. Die Klarinette und das Saxophon sind beide Blasinstrumente, also man sieht oft, dass Musiker beide Instrumente spielen. Am Anfang hatte ich auch beim Saxophon nur die Beispiele aus New Orleans. Aber dann wurde ich gefragt, in einer Gruppe mitzumachen, die spielte wie in den 30er Jahren in New York, also Swingmusik. In diesem Stil ist Coleman Hawkins der Meister. Er war damals schon ein Vorbild für z.B. Chu Berry, Ben Webster und Sonny Rollins und ist das immer noch, wenn man Tenor Sax spielt in diesem Stil. Aber je mehr man hört, entdeckt man auch mehr Musiker. Es gab und gibt so viele gute Musiker.

 

JP: Wie kam es zur Gründung der Bands „Three Wise Men“ und „Three Tenors“?

 

FR: Zwei Bands und zwei Geschichten. Musiker, die das gleiche Instrument spielen, sehen einander meistens nicht so oft. Engelbert Wrobel, Antti Sarpila und ich spielen alle Klarinette und Saxophon und weil wir diese Swingmusik lieben und einander nicht so oft sehen, hatte ich die Idee, diese Band zu gründen. Wir drei schreiben alle Arrangements und wechseln ständig die verschiedenen Instrumente. Dadurch können wir ein schönes variiertes Programm präsentieren. Seit 2007 gibt es dann auch „The Three Wise Men“. Eigentlich wollten wir nur für eine Tour zusammenkommen, aber es hat sich jetzt so entwickelt, dass wir jedes Jahr eine lange Tour machen im März/April. Dieses Trio ist etwas ganz Besonderes. Rossano Sportiello ist ein genialer Pianist und kann in allen verschiedenen Stilrichtungen begleiten und solieren. Martin ist ein Spezialist auf seinen verschiedenen Schlagzeuginstrumenten und hat immer Überraschungsinstrumente dabei, was auch etwas Humorvolles ins Programm hineinbringt. Ich habe all meine Saxophone und Klarinetten dabei und die Konzerte sind ein Highlight für mich.

 

 JP: Mit den Three Wise Men nahmen Sie die Platte „European Songbook“ auf – warum gerade dieses Thema?

 

FR: Wir kennen natürlich alle „The American Songbook“. Eine Sammlung von Stücken der bekannten Komponisten aus den USA, wie Jerome Kern, George Gershwin, Cole Porter, Richard Rodgers usw. Die Stücke dieser Komponisten werden heute noch als „Jazz Standards“ gespielt bei vielen Jazzkonzerten. Aber eigentlich braucht ein Jazzmusiker nur irgendeine Melodie mit schönen Harmonien, um zu improvisieren. Das geht natürlich genauso gut mit Stücken von Europäischen Komponisten. So entsteht „The European Songbook“. Es gibt so viele gute Stücke von Bach bis Morricone, die viele Leute kennen. Diese Stücke spielen wir dann, als ob sie Jazz-Standards wären , also man bearbeitet diese Melodien und improvisiert. Dieses Programm kommt sehr gut an, weil die Leute die Melodien wiedererkennen.

 

JP: Sie nahmen das Album „Portrait of Duke“ auf. Was begeistert Sie am Sound der Duke Ellington Band?

 

FR: Wo soll ich anfangen? Duke Ellington war der Meister, der alle individuellen Sounds seiner Musiker gebündelt hat, um so seine eigenen Kompositionen zu spielen. Ich denke dann an Musiker wie „Tricky“ Sam Nanton, Johnny Hodges, Cootie Williams, Ben Webster, Paul Gonzalves, Ray Nance, Lawrence Brown. Natürlich hatte Ellington selbst auch eine sehr starke persönliche Art, Klavier zu spielen.

 

JP: Wird es Ihrer Meinung nach ein Comeback der Big Band geben?

 

FR: In klassischer Musik und im Jazz kann man auftreten als Solist, kleine Besetzung und große Besetzung. Die Big Band gab es immer und wird es immer geben. Man braucht natürlich etwas Hilfe (finanziell), weil es etwas kostet, eine gut geprobte Big Band zu hören. Aber meine Meinung ist, dass dafür, also Big Band und Sinfonieorchester, immer Hilfe bestehen wird. Wenn nicht staatlich organisiert, dann privat, wie wir es jetzt auch in den USA sehen.

 

JP: Was zeichnet für Sie gute Swing-Musik aus?

 

FR: Gute Musiker, die diese Musik verstehen und gleich denken. Das Gleichdenken hat meistens mit Rhythmus und Harmonien zu tun. Auf der einen Seite will man als Jazzmusiker frei sein, auf der anderen Seite ist es für mich die Aufgabe, so gut ich kann, stilistisch das zu spielen, was passt in einem bestimmten Stil.

 

JP: Was ist das Konzept der Band Hiptett?

 

FR: Das Konzept hier ist, dass ich und meine Musiker frei spielen, ohne an einen bestimmten Stil von Jazz zu denken. Natürlich hört der Zuhörer, dass wir diesen zeitlosen Swing kennen und lieben, aber wir leben in 2021 und alles, was wir hören und gehört haben, beeinflusst unser Spiel. Wichtig für mich ist immer, einen schönen Sound zu haben und schöne Akkorde zu schreiben.

 

JP: Gibt es in Holland eine große Jazzszene für den traditionellen Jazz?

 

FR: Ja, so wie in Deutschland. Die echten Spezialisten sterben leider aus, aber wenn wir traditionellen Jazz gut spielen, gewinnen wir schnell ein neues (junges) Publikum.

 

JP: Warum ist das Jazz-Festival in Ascona ein Muss für Swing-Fans?

 

FR: In Ascona gibt es schon seit 1985 das große Jazzfestival im Sommer. Bis 2011 habe ich jedes Jahr dort gespielt. Das Schöne an so einem Festival ist, dass Musiker sich treffen und auch zusammen spielen, auch auf den Sessions, nachdem die Konzerte vorbei sind. Seit 2012 organisiere ich das Ascona Swing Festival, immer im Frühling. Wir spielen die Konzerte „unplugged“, was schon sehr außergewöhnlich ist. Ein sehr guter Flügel wird gemietet und jedes Konzert hat ein Thema, für das alle Musiker auch die Arrangements schreiben. Die Arrangements werden dort tagsüber geprobt und abends gespielt. Auch hier wird dann nach dem Konzert noch weitergespielt, als Jam. Diese Mischung aus organisierter Musik und freier Improvisation wird dort geboten. Dazu kommen noch dieses schöne Hotel mit hervorragender Küche und das bezaubernde Städtchen, Ascona. Ja, es ist ein Muss!

 

JP: Ist der Preis „Keeper of The Flame“ auch eine Verpflichtung für Sie?

 

FR: Ich probiere immer, die Musik so gut ich kann zu spielen und mit allen Musikern das Beste zu geben. Auch ohne einen Preis möchte ich andere Musiker inspirieren und dem Publikum das Beste geben.

 

JP: Sind weitere Platten-Veröffentlichungen geplant?

 

FR: Ja. Frits Landesbergen hat mich eingeladen, ein Programm aufzunehmen mit Stücken von Dave Brubeck. Brubeck hatte lange dieses Quartett mit Paul Desmond und da gibt es viel Material. Mit meinem „Hiptett“ habe ich Anfang März die „Four Seasons“ aufgenommen.

 

 JP: Wann können wir Sie wieder live in Deutschland sehen?

 

FR: Im Moment ist nichts sicher. Vieles ist geplant, aber wann wir wieder auftreten dürfen, ist noch unklar. Übrigens bin ich sehr dankbar, in Deutschland so viele Leute zu kennen, die mich unterstützen. Musiker, Schüler, Organisatoren und einfach Leute aus dem Publikum. Viele Freundschaften haben sich entwickelt.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0