CD-Review: Tobias Hoffmann Nonet Retrospective

CD-Review: Tobias Hoffmann Nonet Retrospective

Ein Nonett ist eine ganz spezielle Form des Jazz; es klingt nicht wie eine satte Big Band, aber auch nicht wie ein kleines, intimes Jazz-Trio. Es ist ein Mittelding zwischen einem Quartett und einer Big Band.

 

Es ist sehr variantenreich; man kann es wie eine klassische Swing-Band einsetzen oder wie ein erweitertes Quartett. Miles Davis hat dem Nonett mit dem Album „Birth of the Cool“ eine neue künstlerische Note verliehen.

 

Der in Wien lebende Tenorsaxophonist hat auf Alessa Records mit dem Album „Retrospective“ auch ein vielseitiges Album vorgelegt, in dem er die ganze musikalische Bandbreite des Nonetts ausschöpft.

 

Tobias Hoffmann wurde 1988 in Göppingen geboren und entdeckte am Ende seiner Gymnasialzeit seine Liebe zum Saxophon und zum Jazz. Zwischen 2008 und 2010 studierte er in Hannover und ab 2010 am renommierten Musikkonservatorium in Groningen, wo er im Jahr 2013 einen Bachelor of Arts erwarb. Zwischen 2013 und 2018 studierte er in Wien Jazz-Komposition und schloss im Jahr 2018 mit einem Master of Arts (M.A.) ab.

 

Er war schon zu seiner Studienzeit ein renommierter Sideman und spielte mit Paul Kuhn, Benny Golson oder Bob Mintzer. Er gewann auch mehrere Preise wie z.B. den „Euregio Big Band Contest 2013“ in Enschede.

 

Im Jahr 2019 wurde das Tobias Hoffmann Nonet beim internationalen Online-Wettbewerb „Made in New York Jazz Competition 2019“ mit dem ersten Preis in der Kategorie Band ausgezeichnet. In der Jury saßen Lenny White, Randy Brecker oder Mike Stern.

Das Projekt „Retrospective“ vereint zwei Lieben von Tobias Hoffmann, die des Arrangeurs und des Saxophonspielers. An dem Projekt wirken junge österreichische Musiker mit, denen die Zukunft des Jazz gehört. Diese wären:

 

Simon Plötzeneder (Trompete)

 

Stefan Gottfried (Alt-Saxophon)

 

Daniel Holzleitner (Posaune)

 

Fabian Rucker (Bass-Klarinette, Bariton-Saxophon)

 

Christopher Pawluk (Gitarre)

 

Philipp Nykrin (Piano)

 

Andreas Waelti (Bass)

 

Michael Prowaznik (Schlagzeug)

 

Die CD wurde im August 2018 aufgenommen und alle 10 Kompositionen wurden von Tobias Hoffmann geschrieben. Das Besondere ist die Vielfältigkeit der CD, mal Hard-Bop, Swing, ein bisschen Free Jazz und Big-Band-ähnlicher Sound. Die CD hat auch eine wunderbare Dynamik; man kann den Schwung des Nonetts gut hören, aber auch die Solos der einzelnen Solisten.

 

Dieses schöne Ensemblespiel kann man gleich beim ersten Stück „Retrospective“ hören, welches die musikalische Reise von Tobias Hoffmann zusammenfasst. Schönes, sehr soulig gespieltes Stück, in dem sich Klavier und Schlagzeug ein Duell liefern. Die Nummer „Happenstances“ hat einen sehr guten harmonischen Aufbau, denn es ist ein leicht langsames Tempo, welches mit einem Posaunensolo über die ansteigende Melodie hinweg seinen Höhepunkt findet. Ein ideales Stück für den Jazzclub, dieser nimmt den Zuhörer mit auf eine Reise. Die Nummer „Horns alone“ wird ausschließlich vom Bläsersatz gespielt, hier kann man die volle Schönheit dieses Instruments hören.

 

Die Nummer „Procrastinator“ (Deutsch: „Zauderer“) klingt sehr schwungvoll, dazu trägt der stechende Drumbeat wesentlich bei. Die Bläsersätze wechseln auch gekonnt ihre „Changes“ aus, dies trägt zur einer klangvollen Dynamik bei. Ein Highlight der CD ist die Nummer „Frühlingserwachen“. Hier dominiert das zarte Klavier, an das sich ein Trompetensolo leicht anschmiegt. Ein tolles atmosphärisches Stück, welches an den Frühfrühling erinnert Eine relaxte Nummer ist das Stück „Propulsion“, welches langsam auf- und absteigt und bei dem wieder ein schöner relaxter Ensemble-Sound herrscht, wie eine entspannte Jam-Session.

 

Die Nummer „Who´s to Blame” erinnert an den Blue Note Sound der 60er Jahre. Das Klavier zögert hier die Melodie raus und der Bläsersatz fügt sich geschmeidig an das Klavier an. Eine sehr intensive Nummer ist „Remembrance“; passend zur gedampften Stimmung steht hier der Leader der Band Tobias Hoffmann im Vordergrund. Man spürt hier die Emotionen und die Gefühle beim Spiel – sehr ergreifend. Ein Stimmungswechsel kommt mit dem Stück „Venteto“; auch hier spürt man den Wind beim Hören des Stückes. Es ist ein ansteigendes schnelles Tempo, bei dem die Noten sauber ausgespielt werden, ohne sich in solistische Extravaganzen zu verlieren. Die CD endet mit dem Stück „Am Ende des Tages“ ruhig und ausgeglichen, hier ist das Tempo des Nonetts gemäßigt und der volle Klang des Ensembles steht im Vordergrund. Mit dem Stück beendet Tobias Hoffmann seine Konzerte, hier wird deutlich, dass Jazzmusik am Ende auch eine gemeinschaftliche Musik ist und alle ihren Job erledigen müssen, damit man einen nachhaltigen Klang erzeugt.

 

Tobias Hoffman war es wichtig, dass jeder Solist genug Freiraum bekommt. Die Besonderheit der CD ist, dass sie mit 5 Bläsern und 4 Rhythmusgruppeninstrumenten keine alltägliche Besetzung aufweist. Es ist eine kammermusikalische Form des Jazz zwischen einem Quartett und einer Big Band.

 

Mir gefallen hier sehr die harmonischen Ideen und melodischen Ideen von Tobias Hoffmann. Die Ensemble-Passagen sind genau abgestimmt auf die Solos, damit wird dem Solo eine große Nachdrücklichkeit gegeben. Der Solist geht hier nicht im Ensemble unter. Die Musik kreiert Bilder beim Zuhören, hat vielseitige Farben. Genau das macht sehr gute Jazzmusik aus. Ich kann euch die CD sehr ans Herz legen.

 

Hier ein kleiner Vorgeschmack:

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Ross, Florian (Montag, 14 September 2020 21:08)

    Hi,

    Hättest Du Lust, meine neue CD zu besprechen?

    Liebe Grüße! Florian

    https://www.jpc.de/jpcng/jazz/detail/-/art/florian-ross-quartet-reason-temptation/hnum/9900477