Interview: STILL IN THE WOODS

Interview: STILL IN THE WOODS

Es ist sehr schwierig, Jazz zu definieren, doch eine Eigenschaft hat der Jazz, nämlich, dass er offen ist für verschiedene Stile und Einflüsse. Manchmal kombinieren Bands den Jazz mit Hip-Hop, so wie die junge Band „Still in the Woods“ aus Berlin und Leipzig.

 

Die Band wurde im Jahr 2015 gegründet und sorgte in zahlreichen Ländern Europas für Furore. Sie ist frei und experimentierfreudig und offen gegenüber einer Vielfalt von musikalischen Stilmitteln. Die Bandmitglieder sind Anna Hauss (Gesang), Robert Wienröder (Klavier, Keyboard), Raphael Seidel (Bass) und Herman Spannenberger (Schlagzeuger).

Ich hatte Gelegenheit, mit Robert Wienröder über das neue Album „Flying Waves“ zu reden. Mehr Infos findet ihr hier.

https://still-in-the-woods.de/

Danke für eure Bereitschaft, jazzreporter.com ein paar Fragen zu beantworten.

Jazzreporter: Was sind eure musikalischen Vorbilder?

Robert Wienröder: Das ändert sich immer von Zeit zu Zeit, aber für das aktuelle Album waren es u. a. BADBADNOTGOOD, Little Dragon, Hiatus Kaiyote, Georgia Anne Muldrow und Lauryn Hill, aber auch z. B. Shai Maestro; da wir gemeinsam komponieren, gibt es insgesamt natürlich sehr viele verschiedene Vorbilder.

Jazzreporter: Wie kam es zur Gründung euer Band?

Robert Wienröder: Drei von uns waren früher an derselben Musikschule, wo wir uns gemeinsam aufs Jazzstudium vorbereitet haben. Als wir bereits ein paar erste eigene Stücke komponiert hatten, kam Raphael in die Band und wir begannen intensiv, Songs zu schreiben und regelmäßig aufzutreten.

Jazzreporter: Ihr vermischt verschiedene Musikstile. Was haltet ihr von der Kategorisierung der Musik in Jazz, Pop, Country usw.?

Robert Wienröder: Nicht so viel, aber es hilft natürlich dabei, sich ein Bild von der Musik zu machen, bevor man sie hört; da es so unfassbar viel Musik gibt heutzutage, kann man so schon eine kleine Vorauswahl treffen. Unsere Musik ist auf jeden Fall eine Fusion von verschiedenen Stilen und jeder von uns trägt etwas anderes in die Band, so entsteht ein ganz eigener Stil.

Jazzreporter: Warum ist für euch die Kombination zwischen Hip-Hop-Grooves und Jazz kein Widerspruch?

Robert Wienröder: Generell kann man alles mit allem kombinieren, die Vermischung von Jazz und Hip-Hop ist inzwischen ja sogar schon recht etabliert und eigentlich gar nichts Ungewöhnliches mehr. In unserem Fall ist es teilweise so, dass ein bestimmter Groove ein gutes Fundament legt, um sich darüber austoben zu können, ohne dass alles auseinanderfällt; es gibt aber immer mehr als ein gutes Argument für die Verbindung von zwei Sachen.

Jazzreporter: Wer hatte die Idee für euer aktuelles Album Flying Waves?

Robert Wienröder: Wir hatten, kurz nachdem ‚Rootless Tree’ erschienen war, schon einige neue Lieder komponiert und unsere Sängerin Anna hatte vorgeschlagen, diese im Sommerhaus ihrer finnischen Familie aufzunehmen, weil der Ort einerseits total isoliert und ruhig ist, andererseits hat dieses Sommerhaus, das quasi nur eine Holzhütte ist, eine ganz besondere, sehr schöne Akustik. Dort entstand dann die Idee, daraus ein neues Album zu machen, und es folgten intensive Kompositions- und Arbeitsphasen und weitere Studioaufnahmen in Leipzig.

Jazzreporter: Woher kamen die Inspirationen für diese schönen Kompositionen?

Robert Wienröder: Die Stücke sind teilweise auch direkt in der Hütte in Finnland entstanden und wurden dann in Dänemark in zwei darauf folgenden Probenphasen weiterentwickelt. Dabei hat uns die Umgebung sehr inspiriert. Wir waren jeweils umgeben von Wasser und der Wechsel von absoluter Stille und heftigem Wind hat unsere Musik beeinflusst. Richtig rauszukommen aus allem, was den Alltag so ausmacht, ist auf jeden Fall ein guter Weg, um Ideen für Kompositionen zu bekommen. Natürlich sind es trotzdem Themen aus unserem Leben in der Stadt, die in unseren Stücken verarbeitet werden, aber die konnten wir erst mit der Ruhe dieser Orte auf den Punkt bringen.

Jazzreporter: Warum habt ihr das Album an drei verschiedenen Orten aufgenommen?

Robert Wienröder: Das war nicht von Anfang an so geplant, aber war letztendlich total sinnvoll, weil wir den Songs genügend Raum geben wollten zum Wachsen. Und wir sind ständig in Bewegung und leben auch in verschiedenen Städten – deshalb wechseln wir häufig den Ort.

Jazzreporter: Wie seht ihr die Zukunft des Jazz?

Robert Wienröder: Jazz ist schon lange nichts Festgelegtes mehr, sondern kann jede Art von Musik sein, die sich ihre Freiheit und Spontanität bewahrt; leider wird an Jazz-Hochschulen heutzutage oft ein etwas anderes Bild vermittelt, da geht es oft darum, genau das zu machen, was Jazzer früher schon gemacht haben, und viel zu wenig darum, seinen eigenen Weg zu gehen. Wenn möglichst viele junge Musiker es schaffen, sich trotzdem ihre musikalische Freiheit zu bewahren, wird die Zukunft genauso vielfältig sein wie die Vergangenheit.

Jazzreporter: Was würdet ihr euch von der deutschen Musikindustrie wünschen?

Robert Wienröder: Da sind so viele Leute beteiligt, nicht nur irgendwelche Manager, sondern auch Musiker, Hörer etc. Deshalb ist es schwierig, da was konkret zu formulieren. Generell wäre es schön, wenn Ehrlichkeit mehr an Gewicht gewinnen würde im Vergleich zu Show und Kommerz. Das ist aber eher so eine generelle Sache.

Jazzreporter: Welche Rolle spielt Youtube für euch oder Spotify?

Robert Wienröder: Spotify spielt für uns eine große Rolle, weil auf die Art Menschen auf der ganzen Welt unsere Musik entdecken können und wir auch sehen, wo unsere Musik gehört wird. Wir sind z. B. letzten Sommer nach London gefahren, weil wir dort einige Hörer haben, und es war schön zu sehen, wie die Leute dort auf unsere Musik reagiert haben. YouTube ist ebenfalls wichtig für uns, aber da wir noch nicht viele Videos online haben, ist unsere Reichweite hier geringer als bei Spotify. Das soll sich aber in Zukunft ändern.

Jazzreporter: Kommt ihr mal auch in die Region Stuttgart demnächst?

Robert Wienröder: Dieses Jahr hat sich da leider terminlich nichts ergeben, wir waren schon zwei Mal in der Kiste zu Gast, und für nächstes Jahr haben wir eine Tour im September geplant und auch schon mit dem Café Galao verabredet, dass wir da dann auftreten werden.

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