Johannes Ochsenbauer Interview

Johannes Ochsenbauer Interview

Das Jazz-Trio ist die weitverbreitetste Form im Jazz. In vielen Fällen besteht dieses Trio aus einem Klavier, dem Bass und dem Schlagzeug. Das Trioformat ist das Format, um die Harmonien im Jazz auch formgerecht darstellen zu können. Ein ganz besonders Trio ist das Johannes Ochsenbauer Trio. Zu zwei Triomitgliedern hatte ich sogar persönlich Kontakt bzw. habe sie schon live erlebt.

 

Tizian Jost habe ich zum ersten Mal in der Gruppe von Carolyn Breuer im Münchner Künstlerhaus gesehen, in Erinnerung bleibt mir das schöne intime Duett „Some Other Time“ mit Carolyn Breuer, eine sehr emotionale Ballade.

Michael Keul lernte ich im Rahmen eines privaten Konzerts kennen und habe mich angeregt mit ihm über Jazzmusik unterhalten.

Zu Johannes Ochsenbauer hatte ich immer wieder Mailkontakt. Johannes Ochsenbauer spielt u. a. mit Harry Sokal zusammen, den ich schon früher in meinem Blog mal vorgestellt habe.

Dieses Straight-Ahead-Jazz-Trio steht in der Tradition von Ahmad Jamal, Oscar Peterson, Ray Brown oder auch Bill Evans. Die Arrangements sitzen wie ein maßgeschneiderter Anzug für alle drei Musiker. Es sind drei individuelle Stimmen, die im Zusammenspiel eine Einheit bilden. Schon seit 10 Jahren musizieren sie zusammen.

Über die neue CD „NEVER CHANGE A SWINGING TEAM“ hatte ich die Möglichkeit, mich mit dem Bandleader Johannes Ochsenbauer per Mail kurz auszutauschen. Wir haben aber auch andere Jazz-Themen angesprochen. Aber lies am besten selber!

Hallo Johannes, schön, dass du Zeit für jazzreporter.com gefunden hast.

Jazzreporter: Warum hast du dich entschieden, den schweren Bass zu spielen?

Johannes Ochsenbauer: Wie so viele meiner Kollegen habe ich im Schulorchester begonnen. Der Bass fehlte und man bekam den ersten Unterricht umsonst. Zuvor hatte ich Trompete und Gitarre gespielt. Ich habe aber sofort gemerkt, dass der Bass zu mir passt, oder umgekehrt. Außerdem war ich begeistert, dass ich relativ schnell mit anderen musizieren konnte und der Bass in fast jeder Musikrichtung gebraucht wird. Die erste Probe mit einem großen Sinfonieorchester hat mich schwer beeindruckt.

JP: Warum ist der Jazz deine Leidenschaft?

JO: Das hat sich entwickelt. Der Jazz ist für den Kontrabass natürlich eine hochinteressante Musik, die es dem Bassisten ermöglicht, sich im Gesamtkunstwerk einzubringen und mitzugestalten. Ich besuchte viele Jazzkonzerte und beobachtete die Bassisten ganz genau. Ich liebe den Swing und Groove des Jazz und die Interaktion der Musiker. Außerdem insbesondere den Sound des akustischen Jazz.

JP: Im Booklet von Never Change A Swinging Team wird Ray Brown erwähnt. Ist er dein Vorbild? Bist du ihm mal persönlich begegnet?

JO: Ich habe viele (musikalische) Vorbilder. Zu meinen Einflüssen zählen neben den großen Bassisten der Jazzgeschichte wie Oscar Pettiford, Paul Chambers, Charles Mingus auch zeitgenössische Kollegen. Ich habe mich viel mit der Jazz-Tradition beschäftigt, viel Musik gehört und viel transkribiert. Ich durfte viele große Bassisten kennenlernen und durch Unterricht, aber auch einfach durch Gespräche habe ich viel gelernt. Ray Brown habe ich leider nie persönlich kennengelernt. Kurz vor seinem Tod hörte ich ein wunderbares Konzert von NHOP. Ich hatte Kontakt mit Ron Carter, Charlie Haden, Dave Holland, Anders Jormin und vielen anderen.

JP: Bitte nenne mir deine Lieblingsjazzalben, bei denen der Bass im Vordergrund steht?

JO: Oscar Pettiford, Paul Chambers, Ray Brown, Christian McBride, Anders Jormin, Paulo Cardoso, Charles Mingus, Dave Holland, Ron Carter, die Alben, die die Kollegen unter eigenem Namen veröffentlicht haben, sind immer auf den Bassisten fokussiert.
Ich freue mich aber auch an Alben, auf denen der Bass „nur“ die Begleitfunktion übernimmt. Der Bass trägt immer einen entscheidenden Teil zum Gesamtergebnis bei.

JP: Wie ist zur Gründung deines Trios mit Michael Keul und Tizian Jost gekommen?

JO: Ich bin zum Studium bei Paulo Cardoso nach München gezogen. Schon während des Studiums hatte ich die Möglichkeit, mit renommierten Musikern zu arbeiten. Das hatte sich immer irgendwie ergeben. Ich habe z. B. auch ab und an für meinen Lehrer ausgeholfen und wurde jung ins kalte Wasser geworfen ... Mit meinen damaligen Lehrern und Professoren habe ich auch oft musiziert. Tizian lernte ich so kennen. Er hat mich von Anfang an unterstützt, und als ich ihn fragte, war er Feuer und Flamme. Wir musizieren im Trio und in anderen Besetzungen sehr oft zusammen. Michael, ein unglaublich versierter Drummer mit offenen Ohren für seine Mitmusiker, lernte ich zur gleichen Zeit kennen. Es ist schwierig, so einen swingenden Drummer zu finden.
Uns verbindet seit Anfang an eine gemeinsame Klangvorstellung. Die beiden haben mich und unser Trio immer unterstützt. 

 JP: Ist die Zeit der Jazztrios à la Oscar Peterson Trio nicht vorbei? Gibt es nicht zu viele Mainstream-Jazztrios, die diese Standards so wie ihr spielt?

 

JO: Ich spiele in diesem Trio in dieser Besetzung Straight Ahead Jazz. Das Ergebnis, also die Musik des Trios, hängt natürlich von den einzelnen mitwirkenden Musikern ab. Meiner Meinung nach gibt es in der (deutschen) Jazzlandschaft kaum noch Piano Trios, die solche Musik machen wie wir. Viele widmen sich modernen Einflüssen etc. Wir spielen diese Stilrichtung, weil sie unser Ding ist. Alles andere wäre befremdlich. Etwas zu spielen, hinter dem man nicht steht. Wir hatten einmal eine Kritik nach einem Konzert in Weiden in der Oberpfalz mit dem Titel „Jazz ohne Verfallsdatum“.

JP: Was unterscheidet euer Trio von anderen Piano-Trios?

JO: Jede Band klingt anders. Wir klingen wie wir.
Neben unserem eigenen Klang versuchen wir auch, das Programm sehr abwechslungsreich zu gestalten und alle Facetten des Jazz abzubilden. Tizian hat z. B. eine Zeit lang in Brasilien gelebt und wir spielen häufig Musik aus Brasilien.
Die ursprüngliche Programmidee war, ausschließlich Kompositionen von Bassisten zu spielen. Das war spannend und  ist sehr gut angekommen. Manchmal haben wir auch Themenabende gespielt, z. B. The Songbook of Paul Chambers.

JP: Auf euer aktuellen CD „Never Change Swinging Team“ gibt es sehr viele Standards. Hängt das damit zusammen, dass ihr die CD besser verkaufen wollt, weil es viel bekanntes Material hat?

JO: Die Verkaufszahlen unserer CDs sind nicht ausschlaggebend für unser Programm. Neben Eigenkompositionen und einigen selten gespielten alten Jazzkompositionen (von Bassisten) stehen auch Standards auf dem Programm. Standards sind ein gemeinsamer Nenner von 95 % aller Jazzmusiker. Zum einen sind es großartige Kompositionen, zum anderen kennen alle das Material, brauchen keine Noten und man kann sich mehr auf die Musik selbst konzentrieren. Oft arrangieren wir die Standards etwas um.

JP: Was reizt euch, diese Standards immer wieder neu zu spielen, obwohl es von denen viele Tausende von Aufnahmen gibt?

JO: Es ist immer eine Herausforderung, „alte Vorlagen“ neu zu interpretieren. Es macht immer Spaß und es kommt immer etwas anderes heraus.
Ich verstehe diese Frage – weil sie immer wieder einmal auftaucht. In der Klassik würde keiner die Frage stellen, warum denn schon wieder Mozart, Bach und Beethoven gespielt werden. Obwohl es in der Klassik noch wenig Spielraum (Improvisation, Arrangement, Instrumentierung etc.) gibt und es oft nur minimale Unterschiede gibt.

JP: John Marshall hat paar schöne Solos à la Chet Baker. Wie kam die Zusammenarbeit mit John Marshall zustande?

JO: John kenne ich seit vielen Jahren. Das erste Mal arbeiteten wir bei einem Chet Baker Tribute zusammen. Ich schätze ihn sehr. Er spielt wunderbaren Linien und hat einen super Sound. Er hat in seiner Karriere nicht zuletzt als Mitglied der WDR Big Band mit allen großen Jazzmusikern weltweit gespielt und das hört man.

JP: Das Trio feiert heuer sein 10-jähriges Bestehen, was waren bisher die Highlights in dieser Zeit?

JO: Es gab eigentlich nur Highlights. Jedes Konzert ist ein Highlight für uns. Wir spielen gerne in kleinen Clubs, aber natürlich auch auf Festivals in Theatern usw. Eine schöne Sache ist es auch immer, wenn wir mit Gastsolisten spielen, und das waren schon sehr viele die letzten 10 Jahre über.

JP: Du bist seit Jahren ein Mitglied der Jazzszene in München. Was ist das Besondere an der Jazzszene in München?

JO: Ich war eher Mitglied der Münchner Szene. Seit einigen Jahren wohne ich nun mit meiner Familie (2 Kinder) auf dem Land in der Nähe von Augsburg. Hier ist die Jazzszene nicht allzu groß. Sprich, es gibt nicht allzu viele Musiker und nicht allzu viele Auftrittsmöglichkeiten. Ich spiele gerne in Augsburg, dann muss ich nicht so weit reisen. Klar bin ich der Münchner Szene sehr verbunden. Ich kenne viele der Musiker und ich bin deshalb oft in München zu hören. Auch mehr Auftrittsmöglichkeiten als in Augsburg gibt es dort. Aber es sind auch weniger geworden. Die Szene in München hat sich verändert. Es gibt vielfältige Möglichkeiten. Kulturell ist in München viel geboten, das ist schön. Mittlerweile gibt es durch den Jazzstudiengang sehr viele Musiker in München.
Die Musiker, mit denen ich in München spiele, sind wie ein harter Kern und eine Familie.

JP: Der WDR dünnt sein Jazzprogramm Schritt für Schritt aus und auch sonst wird der Jazz im öffentlichen Rundfunk immer seltener gespielt. Wie siehst du diese Entwicklung?

JO: Das ist sehr schade! Immer, wenn etwas wegrationalisiert wird, was einem am Herzen liegt, ist es schade. Ich weiß nicht, warum die Entwicklung so ist. Ich glaube nicht, dass es kein Interesse mehr am Jazz gibt. Mich würde interessieren, wo das Geld denn nun hinfließt …

JP: Gibt es für dich als Künstler noch genug Plattformen, um deine Musik zu Gehör zu bringen?

JO: Leider ist es immer schwieriger geworden, Booking zu betreiben und schöne Auftritte zu finden. Nicht dass es keine mehr gibt, aber durch die Vielzahl der Musiker ist es schwer. Jazz ist jedes Mal anders und deswegen natürlich auch als live Musik immer spannend.

JP: Wie siehst du die neue Plattform „Crowdfunding“, bei der Geld für Alben gesammelt wird?

JO: Ich versuche, so wenig wie möglich Zeit und Energie in Soziale Netzwerke zu investieren. Mit der Möglichkeit von Crowdfunding habe ich mich noch nie beschäftigt.

JP: Was sind deine nächsten Projekte?

JO: Gerne möchte ich die Möglichkeit haben, viel mit meinem Trio zu konzertieren. Ganz einfach weil es riesigen Spaß macht. Zudem arbeite ich an einem Duo-Programm mit dem Gitarristen Alex Jung. Ich möchte gerne auch Zeit finden, regelmäßig zu üben und zu komponieren, das ist mit dem Alltag leider nicht immer vereinbar.

JP: Danke für deine Zeit für jazzreporter.com

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