Jenny Evans Interview

Jenny Evans Interview

Die Musik von Jenny Evans begleitet mich seit vielen Jahren. Ich habe Jenny schon in jungen Jahren ein paar Mal in der Unterfahrt gesehen.

Jenny Evans ist eine exzellente Interpretin – auch von unbekannten Stücken. Ihre CDs werden von der Kritik sehr gelobt und erzielen regelmäßig Bestbewertungen in den Jazzmagazinen.

Jenny Evans tritt regelmäßig im Münchner Jazzclub Unterfahrt auf. Sie ist eine vielseitige Künstlerin. Jenny ist auch Schauspielerin und Aquarellistin. Sie wurde mit dem Schwabinger Kunstpreis ausgezeichnet. Im Jahr 2011 drehte der Bayerische Rundfunk über Jenny ein Portrait in der Reihe „Lebenslinien“. In neuer Zeit engagiert sich Jenny auch für behinderte Menschen. Jenny hatte auch in den 80er Jahren den Jazzclub „Jenny´s Place“.

Mehr über Jenny könnt ihr hier erfahren:

https://www.jenny-evans.de/.

Im Dezember 2018 hatte ich die Möglichkeit, Jenny in ihrer Wohnung zu interviewen. Das Hauptthema waren ihre CDs aus den letzten 30 Jahren.

© Aleksej Schicke, Stuttgart// Jenny Evans / 2018
© Aleksej Schicke, Stuttgart// Jenny Evans / 2018

 JP: Hallo Jenny, danke für die Einladung. Du bist ja eine renommierte Jazzsängerin, deine erste CD „Whisper Not“ kam bei Bell Records raus.

Jenny Evans: Bell Records war der Vertrieb für die Platte „Whisper Not“. Ich hatte schon davor ein Angebot bekommen, eine Platte zu machen, aber das war mir zu poppig. Zu der Zeit hatte ich meinen Jazzclub Jenny Place, ich wollte eine LP machen, um mich darzustellen. Ich kannte natürlich durch meinen Jazzclub viele Musiker und hatte viele Lieblingsmusiker, die auch auf der LP spielen wie Fritz Pauer, Lee Harper oder Paulo Cardoso. Der Vorteil für mich damals war, dass ich durch meinen Club die Möglichkeit hatte, das Repertoire zu proben und dann im Studio aufzunehmen.

JP: Die breite Öffentlichkeit kennt dich durch deinen Auftritt beim Tatort mit Götz George – wie kam es dazu?

Jenny: Ich bin Schauspielerin, Schriftstellerin, Sängerin. In England habe ich Theater gespielt und viel im klassischen Bereich gesungen. In München habe ich auch viel Theater gespielt, brachte daher also die notwendige Erfahrung dafür mit. Eines Tages traf ich in meinem Club Jenny‘s Place einen Produzenten, dem meine Darbietung von dem Lied „Send in The Clowns“ sehr gefallen hat. Er hat mir daraufhin angeboten, den Tatort in meinem Club zu drehen, und hat mir sogar eine Rolle angeboten. Die Rolle wurde am Ende für mich umgeschrieben als eine Engländerin Jenny, die einen Jazzclub betreibt. Die Geschichte war zwar an den Haaren herbeigezogen, dennoch ist es eine sehr nette Erinnerung für mich. Die Kussszene am Ende mussten wir immer wieder drehen, denn mein Lippenstift verschmierte immer wieder.

JP: Wie reagierst du, wenn man dich als Jazzsängerin bezeichnet?

Jenny: Ich war früher einfach die englische Jazzsängerin, die Presse hat mich später dann als Jazzsängerin bezeichnet. Der Jazz gibt mir die Möglichkeit, jedes Lied zu individualisieren. Die Jazzmusik ist für mich in erster Linie ein Vehikel, um den Liedern meinen eigenen individuellen Stempel aufzudrücken. Ich habe also kein Probleme mit dieser Bezeichnung.

JP: Welche Musik hast du in deiner Jugend gehört?

Jenny: Ich selber war in meiner Jugend Fan von Barockmusik, habe als Teenager schon Barockschallplatten gehört. Meine zweite Liebe galt dem Klavier, immer wenn ein Klavier da stand, musste ich spielen. Als Kind liebte ich die Werke Karneval der Tiere von Saint-Saëns oder Romeo und Julia von Prokofjew .

JP: Wie bist du zum Gesang gekommen?

Jenny: Das war in München, ich habe im Universitätschor gesungen und mein damaliger Freund war Jazzbassist. Er lud mich ein, in seiner Jazzkombo zu singen. Ich konnte mich gut reinfinden, weil ich die musikalischen Strukturen vom Jazz erkannt habe. In dieser Zeit, also so Ende der 70er Jahre, sang ich viel Rhythm and Blues. Anfang der 80er Jahre habe ich meine eigene Band gegründet, die spielte anfangs gehobene Entertainment-Musik à la Louis Prima. So habe ich mich Schritt für Schritt zum Jazzgesang hingearbeitet.

JP: Wie kamst du zum Label Enja? Deine erste Aufnahme dort war „Shiny Stockings“.

Jenny: Das war über meinen Mann Rudi Martini. Der kannte Matthias Winkelmann. Ich habe beim Event eines sehr teuren Einrichtungshauses gesungen. Die Frau von Matthias Winckelmann ist Architektin und das Ehepaar war auch eingeladen und so bin ich mit Matthias Winkelmann ins Gespräch gekommen. Die CD „Shiny Stockings“ wurde von der Firma Lloyds gesponsert. Es war eine hervorragende Band mit Gianni Basso am Saxophon und David Gazarov am Klavier und natürlich Dusko Goykovich an der Trompete. Als Matthias Winkelmann das Cover sah, sagte er, dass die CD in Japan ein Renner wird, weil dieser Audrey-Hepburn-Look dort sehr gut ankommt. Alle Arrangements auf dieser CD basierten auf meinen Ideen. Das gilt auch für meine anderen CDs. Es gibt zwar ein paar Aufnahmen, bei denen es nicht der Fall war, aber diese sind Gott sei Dank in der Versenkung verschwunden. Mir gefällt auf der CD die lyrische Musik von Dusko, die nach einer Vertonung schreit.

Die CD wurde von meinem Mann Rudi Martini produziert, der eine langjährige Erfahrung in der Produktion von Aufnahmen mitbrachte, denn er arbeitete früher für die WEA für Siggi Loch.

JP: Nimmst du gerne live auf?

Jenny: Wenn ich ganz ehrlich bin nicht, denn im Studio kann ich mich vollkommen auf die Tongebung und den Klang meiner Stimme konzentrieren. Bei Liveaufnahmen habe ich das alles nicht. Meine CD „Girl Talk“ wurde im Jazzclub Allotria aufgenommen und meine Band war damals gut eingespielt. Wir haben dort drei Jahre lang jeden Donnerstag gespielt. Die Peter-Kreuder-CD ist live. Diese wurde aber beim Bayerischen Rundfunk aufgenommen, die haben natürlich sehr gute Technik dort. Das gleicht einem Aufnahmestudio.

JP: Wie hat sich das mit den Auftrittsmöglichkeiten für dich verändert?

Jenny: Es gibt Auftrittsmöglichkeiten, aber für mich eher wenige, denn ich habe auch einen gewissen Preis. Es gab früher wesentlich mehr Lokale für Livemusik, als es sie heute gibt. Ein Grund dafür sind die GEMA-Gebühren. Lokale müssen heute wesentlich mehr GEMA-Gebühren zahlen, als es früher der Fall war. Es wird nach Fassungsvermögen berechnet, nicht wie viele Leute das Konzert wirklich besucht haben. Die E-Musik muss weniger GEMA-Gebühren gezahlt werden, als es für den Jazz der Fall ist.

JP: Wie kam es zu der CD „Lunar Tunes“?

Jenny: Ich wollte schon immer eine CD mit einem Streichquartett machen. Ich liebe es allgemein, solche Specials zu machen. Auf der Suche nach neuen Liedern bin ich auf die Idee gekommen, ein Programm mit Liedern über den Mond zu machen. Als Arrangeur für die Streicher fiel mir Márcio Tubino ein, der übrigens in München wohnt. Auf der CD sind auch bekannte Stücke drauf wie „Moon River“, zum Beispiel aber  dieses Stück habe ich im 4/4-Takt und nur vom Streichquartett begleitet gesungen. Die Nummer „Moonlight on the Ganges“ habe ich etwas indisch anklingen lassen und den Standard „Moonlight Serenade“ habe ich als Ballade aufgenommen. Du siehst, es ist alles auf meinem Mist gewachsen (lacht).

JP: Ich habe dich im Jahr 2008 schon in der Unterfahrt gesehen, da hast du auch schon Lieder von Peter Kreuder gesungen. Wie bist du auf diesen Komponisten gekommen?

Jenny: Auf meiner im Jahr 2000 erschienen CD „Gonna Go Fishin‘“ habe ich das Peter-Kreuder-Stück „Für eine Nacht voller Seligkeit“ aufgenommen, dieses war ein Favorit unter den Musikern. Ich kannte die Fassung von Marika Rökk, diese war durch die Kriegszeit geprägt. Natürlich wollte ich es ganz anders machen und ließ mir ein Arrangement vom Bassisten Branko Pejaković schreiben.

Kurz bevor die CD erschien, hatte ich ein Konzert mit Hugo Strasser, Max Greger, Hazy Osterwald und Ambros Seelos. Nach dem Konzert habe ich Ambros Seelos erzählt, dass ich bald eine Live-CD rausbringe mit dem vorher genannten Stück von Peter Kreuder. Seelos kannte die Witwe von Peter Kreuder, Ingrid Kreuder-Coryell, und gab mir ihre Kontaktdaten. Sie wohnte damals und wohnt auch heute in den USA.

Ingrid Kreuder-Coryell ist gebürtige Münchnerin und kam und kommt immer wieder mal nach München. Sie hatte sich mit mir in Verbindung gesetzt und war auf einem meiner Konzerte in München. Ich habe ihr zu Ehren ein paar Lieder von ihrem Mann gesungen, die ich jedoch mit meinen englischen Texten versehen hatte. Sie war sehr angetan von den englischen Texten und gab mir die Genehmigung, diese Lieder in Englisch zu singen.

Ich habe die Lieder mit neuen Harmonien und englischen Texten modernisiert. Die Originaltexte kann man heute nur im Kontext von Kabarett oder einer Parodie singen. Peter Kreuder hat Unterhaltungsmusik während der Kriegszeit geschrieben und hat auch viele jüdische Musiker geschützt. Dazu kann ich seine Biographie empfehlen.

JP: Wolltest du auch mal eine CD mit Songs aus dem „Great American Songbook“ aufnehmen?

Jenny: Alle meine CDs vor 2004 als ich „Nuages" aufnahm, basieren darauf. Das große Problem ist, dass bei Jazzstandards alles schon gemacht worden ist. Ich habe all die Songs von Gershwin, Cole Porter und auch die Beatles schon in den 80ern gesungen. Man wird immer wieder verglichen z.B. mit Ella, die das schon großartig gemacht hat. Ich möchte lieber etwas Neues machen und den Liedern meinen charakteristischen Stempel aufdrücken.

JP: Was kannst du mir über deine CD „ The Four Seasons Of Love“ erzählen?

Jenny: Das Thema der CD ist die Liebe, die sich über die vier Jahreszeiten zieht, wenn eine alte Liebe zu Ende geht, dann kommt die neue Liebe. Diese positive Botschaft soll die CD ausdrücken. Ich habe die Ideen geben, die dann von solchen Musikern wie Paulo Morello, Sven Faller und Felix Sapotnik umgesetzt worden sind.

Ich mag es sehr, mit kleinen Besetzungen zu singen, denn im Gegensatz zur Big Band geben sie einem kein enges Korsett. Bei einer Big Band muss man das Arrangement genau kennen, um nicht den Musikern in die Quere zu kommen. Bei einer kleinen Gruppe kann man direkt aufeinander reagieren. Jeder Abend klingt daher anders und das ist das Tolle im Jazz.

JP: Du singst jährlich die Weihnachtssongs aus deiner CD Christmas Songs in der Unterfahrt?

Jenny: Ich finde es schlimm, dass immer wieder die gleichen Lieder gesungen werden wie „Frosty The Snowman“ oder „Rudolph the Red Nosed Reindeer“, das sind Kinderlieder.

Es gibt sehr schöne englische oder französische Christmas Carols oder auch deutsche Weihnachtslieder. Diese wollte ich auf dieser CD darbieten. Und ja, mein Weihnachtskonzert in der Münchner Unterfahrt ist eine alljährliche Tradition, am Ende singt das Publikum gemeinsam mit mir „White Christmas“.

Als die CD veröffentlicht worden ist, wurde ich in der deutschen Jazzpresse mit den Weihnachts-CDs von Jane Monheit und Diana Krall verglichen. Diesen Vergleich habe ich gewonnen, weil ich eben nicht die allbekannten Lieder sang.

JP: Deine letzte CD heißt „Be What You Want To“. Ist das wohl auch dein Motto?

Jenny: Ja, das ist natürlich mein Motto! Die ursprüngliche Idee kam mir auf meiner Geburtstagsfeier in der Unterfahrt, als ich mit verschiedenen Formationen spielte. Diese rockigen Sachen kamen sehr gut beim Publikum an, diese Musik habe ich natürlich auch in meiner Jugend mitbekommen. Dann bin ich tiefer in die Materie eingestiegen und habe bemerkt, dass Jethro Tull, Cream oder auch Sting sehr jazzige Sachen geschrieben haben. Auch hier habe ich die Songs analysiert und habe die Lieder anders interpretiert. Das Stück „Englishman in New York“ habe ich z.B. als Reggae gesungen. Die Nummer „Living In The Past“ ist im ungewöhnlichen 5/4-Takt gehalten.

 JP: Was ist dein nächstes neues Projekt?

Jenny: Ich arbeite an einem Projekt nur mit meinen eigenen Kompositionen, das Projekt heißt „Even Without You“ und es sind 23 eigene Kompositionen, die alle von mir geschrieben sind. Wir gehen Mai, 2019 ins Studio und daraus soll auch eine CD werden. Es ist wichtig, dass man ab einem gewissen Alter das macht, was man wirklich will.

JP: Kommst du auch mal nach Stuttgart für Konzerte?

Jenny: Ich muss zuerst die Aufnahmen machen und dann komme ich gerne mal nach Stuttgart. Das Problem ist, dass auch die Musiker bezahlt werden müssten, das sind alles hochdotierte Musiker, die ebenfalls ihre Gage bekommen müssen. Bei meinen Konzerten bekomme ich von den CD-Verkäufen das komplette Geld, weil ich die CD selbst produziert habe.

JP: Danke für deine Zeit!

Jenny: Danke dir auch, habe dir sehr gerne Auskunft geben, habe auch meine Meinungen, die ich auch gerne mitteilen wollte.

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