Buchreview: Franco Ambrosetti Zwei Karrieren-ein Klang

Buchreview: Franco Ambrosetti Zwei Karrieren-ein Klang

Wenn es zwei Teile gibt, die keine Schnittmenge bilden, dann spricht man in der Wissenschaft von „Dichotomie“, gibt es sowas auch im Jazz-Business? Ja natürlich!

 

Der Grund dafür aber war meistens die ökonomische Notwendigkeit, denn nur die wenigsten Musiker können und konnten rein von der Musik leben. Reine Musiker mit zwei unterschiedlichen Berufen im Jazz gibt es aber trotzdem eher weniger, meistens hat der andere Beruf auch etwas mit Musik zu tun.

Bei Franco Ambrosetti ist der Fall anders, denn dieser bekennt sich zu seinen zwei Berufen. Franco zählt seit über 50 Jahren zu den bedeutenden europäischen Jazztrompetern, der mit so ziemlich allen europäischen Jazzgrößen und vielen amerikanischen Jazzmusikern zusammen gespielt hat. Aber er leitete viele Jahre gleichzeitig auch seine Firma „Ambrosetti Technologies“, welche Räder für Fahrwerke für Flugzeuge herstellte. Franco war auch in den 90ern mehrere Jahre Präsident der Handels- und Industriekammer Tessins.

Genau über dieses zweiteilige Leben handelt sein Buch „Zwei Karrieren ein Klang“ mit teilweise süffisantem, ironischen, kritischen und charmanten Ton erzählt Franco hier über sein Leben. Dabei kommt Franco wie bei einem guten Trompeter-Solo immer auf den Punkt und verliert sich nicht in Kleinigkeiten.

Schon als Kind sang Franco die Solos von Charlie Parker nach, sein maßgeblicher Einfluss in seiner Jugendzeit war sein Vater Flavio Ambrosetti, der selber ein sehr guter Bebop-Saxophonist war und den Jazz in Italien in der Nachkriegszeit mitgeprägt hat. Auch sein Vater Flavio leitete gleichzeitig seine gleichnamige Familienfirma. Auch Franco sollte diesen Weg gehen, daher schrieb er sich mit finanzieller Unterstützung seines Vaters an der Wirtschaftsfakultät in Zürich ein.

Doch die Wirtschaft interessierte ihn nur am Rande, denn schon bald reifte er im Zürcher Jazzclub „Africana“ zu einem gefragten Trompeter heran, der in Jamsessions auch mit großen amerikanischen Musikern wie Blue Mitchell oder Dexter Gordon spielte. Zu der Zeit konnte man noch wesentlich unkomplizierter an die Musiker herantreten und mit ihnen musizieren, ohne lästige Bodyguards oder Manager, wie es heute oftmals der Fall ist. Auch zu diesem Thema ist das Buch eine sehr spannende Quelle.

In den 60ern bekam Franco Ambrosetti an einem Abend ein Angebot, in der Gruppe von Charles Mingus zu spielen. Sein Vater war ebenfalls anwesend und lehnte es in Francos Namen ab. In den späten 60ern gab es ebenfalls nochmals eine Gelegenheit, in die USA zu gehen, als Franco einen Trompeterwettbewerb gewann. Der Preis war ein Stipendium an der renommierten Musikuniversität in Berklee, dieses Angebot lehnte Franco Ambrosetti selber ab.

Ohne die Unterstützung seiner Familie war damals ein Leben in den USA sehr schwer vorstellbar und auch von der ökonomischen Welt wollte sich Franco nicht verabschieden. Daher holte er sein verpasstes Studium erfolgreich in Basel nach. Kurze Zeit später arbeitete er als Headhunter für verschiedene Firmen. Der Beruf des Headhunters kam damals gerade auf, auch hier war Franco ein Pionier.

In den 70ern übernahm er die Leitung seines Familienunternehmens „Ambrosetti Technologies“ in Lugano im Tessin. Aufgrund fähiger Mitarbeiter und eines guten Managements konnte er schnell wieder verstärkt Konzerte geben und Platten aufnehmen. In dieser Zeit ist seine Zusammenarbeit mit der George Gruntz Big Band sehr bemerkenswert, denn diese Band nahm viele innovative Big-Band-Platten für das Label MPS auf. Seit 1979 ist Franco Ambrosetti zudem ein festes Mitglied des Münchner Jazzlabels Enja.

Auch hier entstanden viele schöne thematische Jazzplatten, wie z.B. ein Album zum Thema Filmlieder oder ein jazziges Album über Italien. Sein umfangreichstes Werk war das Album „Music for Symphony and Jazz Band“, mit dem Franco die Jazzwelt mit der Klassikwelt verbinden wollte. Die Symphoniker spielten Klassiker und die Jazz-Rhythmus-Gruppe mit Franco spielte Jazz, dieses schwierige Experiment hat erstaunlich gut funktioniert. Es entstanden auch Alben in New York City, so wie z.B. sein aktuelles Album „Cheers“.

Auch von Alltagsproblemen handelt das Buch. Als Trompeter muss man täglich üben, um in Form zu bleiben, doch das ist schwierig, wenn man in Hotelzimmern schlafen muss. Franco spielte seine Trompete bei lautem Fernseher in einem vollen Kleiderschrank, dies dämpfte den Klang seiner Trompete.

Der Autor gibt auch tiefe Einblicke in seine Seele, denn natürlich hat sein Leben auch Schattenseiten. In den 80ern wollte Franco seine Karriere beenden, als seine Firma eine schwierige Phase durchlief, doch sein Wille und sein Vertrauen in sein Talent ließen ihn weitermachen. Ein Glück für die Jazzwelt.

Aber es gibt auch charmante und fröhliche Momente im Buch, denn am Ende eines jeden Kapitels erzählt Franco immer eine passende Geschichte zum Kapitel. Er gibt überraschende Einblicke, denn so hat z.B. Herbie Hancock ihn mal an einem Abend am Kontrabass begleitet. Eine andere Geschichte handelt von einem Konzertabend in Prag mit dem ehemaligen tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus. Vaclav Klaus musste nach dem Konzert nach China zu einem Staatsbesuch, daher spielte Franco für ihn das Lied „On a Slow Boat To China“.

Ich kann euch dieses Buch nur empfehlen, denn es zeigt auch, dass man sich im Leben nicht immer entscheiden muss. Es ist auch möglich, zwei Leben mit Genuss zu leben. Außerdem arbeitet Franco in dem Buch schön heraus, dass der Jazz eine offene Musik ist ohne Vorurteile.

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